Boulevard
München/Gauting, 01.03. 2010 12:18
Speakers Corner - Meinungen ohne Sinn und Verstand
Die Gutmenschenmaschinerie
Speakers Corner - Meinungen ohne Sinn und Verstand
Die Gutmenschenmaschinerie
Überall grünt es. Allerdings weniger draußen vor der Tür, als vielmehr auf fast jeder Seite unseres einheimischen Blätterwaldes. Das hätte sich vor knapp zehn Jahren kein Grüner, keine Umweltaktivistin träumen lassen, dass sich heute Energiekonzerne, Autohersteller, Bauunternehmen und wahrscheinlich sogar Produzenten von Ehehygieneartikel ein grünes Mäntelchen der Umweltsorge anziehen würden. Wenn man, mal ganz naiv, all diesen vollmundigen, fast lyrisch menschelnden Printanzeigen und Werbespots trauen würde, käme man glatt auf die Idee, dass spätestens Ende nächsten Monats die endgültige Rettung unseres Planeten und der dazu gehörenden Milchstraße gebongt ist.
Das Erstaunlichste dabei ist, dass nicht einmal die klitzekleinste Aufregung wegen Irreführung (oder wie immer auch derartige Verfehlungen bei den Protestaktionen offizieller Stellen genannt werden) der Leser und Zuschauer zu hören ist. Da werden wir umschmeichelt von samtiger Prosa, begleitet von blauem Himmel, saftigen Wiesen und glücklich aussehenden Werbemodels und registrieren noch nicht mal den allseits verachtenden Zynismus, der hinter diesem zugegebenermaßen wohl gestalteten Werbemittel steckt. Wahrscheinlich kommen wir bald zur Überzeugung, dass all das, wogegen noch vor ein paar Jahren wackere junge und alte Idealisten Leben und Gesundheit riskierten, in Wirklichkeit Wohltat für Leib und Seele und sanfte Rettung von Erde und Umwelt ist.
In gleicher Weise nimmt es einen schon gar nicht mehr Wunder, wenn gestandene Männer (manchmal auch Frauen), die früher selber das Schwarze vom Himmel runter geraucht haben, plötzlich die glühendsten Verfechter allumfassender Rauchverboten in Gaststätten, Spelunken und wenn möglich in freier Natur sind. Geradezu rührend, wie diese geistigen Wracks vor der landläufigen Meinung tumber Nachplapperer einknicken und ohne großes Überlegen glauben, ihrer Umwelt savanorolahaft Gesundheit und langes Leben aufzwingen zu müssen. Gibt doch nichts gefährlicheres für das soziale Gefüge, als überzeugte Renegaten, die glauben die Welt retten zu müssen, da sie ja alleinig im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte und der allfälligen Rettungsrezepte sind.
In der Aufzählung dieser Neoweltenretter dürfen natürlich unsere Freunde der Unterhaltungs- und Gesangs-Industrie nicht fehlen. Kaum ein alternder Rockstar, der sich nicht mit seiner unschätzbaren Hilfe zur Rettung von irgendetwas anbiedert, wobei er natürlich schamhaft verschweigt, dass er damit noch mal schnell dem Reich der Untoten ein Schnippchen schlagen möchte. Das ist besonders rührend, wenn man erlebt, wie das eine oder andere An- und Ausziehpupperl der Modeindustrie mit großem Aplomb verkündet, dass Pelze eigentlich nur kleidsam für die einschlägigen Viecher sind. Es entbehrt allerdings nicht einer gewissen Peinlichkeit, wenn die gleiche Dame einige Monate später in luxuriösem Rauchwerk in den einschlägigen Modejournalen abgelichtet zu sehen ist.
Und so singen und tanzen sie, erstellen vollmundige Statistiken umweltfreundlicher Techniken, beauftragen die Besten der schreibenden und gestaltenden Zunft und stimmen alle ein in den vieltausendstimmigen Chor der Wohlmeinenden und Weltenretter. Alle Strophen werden rauf und runter gesungen, grün in allen Schattierungen ist die Modefarbe, wir sind ja alle so lieb und gut und wenn‘s nach uns ginge, hätten wir ab Ende dieser Woche kein Problem mehr. Dass der Refrain sich immer auf Umsatz und Gewinn reimen sollte, macht zwar manchmal noch ein paar Schwierigkeiten, aber das kriegen wir mit unserer geballten Kreativität auch noch hin. Oder, wie es in einem Science-Fiction vor circa 20 Jahren so hübsch hieß: „The force be with you“. Amen.
tomas nittner ist bildender Künstler, Grafiker und Autor. Seine Ausbildung genoss er an der Accadèmia di Brera in Mailand und an der Hochschule für Gestaltung, Abteilung Visuelle Kommunikation, in Ulm. Er war Mitarbeiter bei Otl Aicher für die Gestaltung der Olympischen Spiele in München 1972. Er hat ein Drittel seines arbeitenden Lebens im Ausland verbracht: Italien, Schweiz, Frankreich, Mexiko, USA. Als Grafiker hat er für namhafte Firmen im Bereich Corporate Design gearbeitet. In der bildenden Kunst stellte er in Deutschland, Italien, Frankreich, Griechenland und den USA aus. Als Autor war er an verschiedenen Satirebänden beteiligt und verfasst laufend satirische Texte, aber auch Werbetexte sind ihm nicht ganz fremd.
tomas nittner ist böhmisch-österreichischer Herkunft, in der Zwischenzeit eingemeindet.
Bildunterschrift:tomas nittner
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tomas nittner
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