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  Bernd Möhlmann

Hamburg, 29.06. 2005 16:59


Ein Herz und eine Seele

Umfrage: "Woran erkennt man die große Liebe?" 60 Prozent antworteten: Seelenverwandtschaft

Ein Herz und eine Seele

Gestern habe ich der Liebsten ein Gedicht geschrieben. Möchten Sie es lesen? Ja? Es ist ein Haiku. Beim Haiku geht es darum, ein Gedicht mit fünf, sieben und dann wieder fünf Silben zu verfassen, also drei kurze Sätze zu bilden, die allerdings eine Jahreszeit und ein Naturereignis beinhalten. Japaner machen sowas gern, wenn sie nicht gerade Autos oder ganz kleine Radios bauen. Aufgepasst: ”Laub schimmert gülden / der frühe Radfahrer lacht / und denkt an ihr Haar”.

Gefällt es Ihnen? Ihr auch. Sie hat mir heute am frühen Vormittag geantwortet – ebenfalls mit einem Haiku: ”Die goldene Frau / hastet durch raschelndes Laub / ihr Kleid weht im Wind.” Unglaublich, oder? Das nenne ich Seelenverwandschaft, da macht sich doch beim Zuhörer tiefe Andacht breit, oder?

Zum ersten Mal näher begegnet sind wir uns – die Gedichte verraten es – im Herbst, und da wiederum im Bett. Sie kennen das vielleicht: Nette Party bei guten Freunden, der Anblick einer fremden Frau ( “... wer ist denn die Hübsche da?”), ein kleines Missgeschick am Buffet, eine humorvolle Reaktion meinerseits (“Zieh‘ es einfach aus, ich wasche es schnell mit der Hand durch!”), dann noch ein bis zwei Gläser Rotwein zuviel, und schon verselbständigen sich gewisse Dinge. Und zwar auf beiden Seiten, das macht die Sache nicht gerade kontrollierbarer. Im Grunde war mir ja an diesem Abend überhaupt nicht nach Geschlechterverkehr, andererseits war es dann auch nicht schlimm, mal wieder eine schöne Frau anzufassen, so überall. Das hat schon eine gewisse Qualität. Aber am Ende des Tages ist doch die geistige Übereinstimmung entscheidend für den weiteren Verlauf solcher spontaner Begegnungen, und da war ich in dieser Nacht wohl voll auf der Höhe: Ich habe ihr direkt im Anschluss an die körperliche Interaktion aus einem Buch vorgelesen, weil sie nicht einschlafen konnte. Hab‘ einfach in’s Regal neben dem Bett gegriffen, ”Schnee auf dem Kilimandscharo” herausgezogen und das erste Kapitel angelesen. Bereits nach den ersten fünf Sätzen ist sie dahingeschmolzen und hat gefragt, woher ich denn wohl wissen möchte, dass Hemingway ihr Lieblingsschriftsteller sei, und das hat mich glatt in die Kissen gestreckt, denn eine Frau, die Hemingway mag, war mir bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht untergekommen.

Zwei Tage später sind wir dann in den Zoo gegangen. Was soll ich Ihnen sagen:Ihr Lieblingstier ist der Bär! Und wenn ich Ihnen jetzt erzähle, dass mein vollständiger Vorname Bernhard lautet und im Ursprung “Der Bärenstarke” bedeutet, dann können Sie sich ungefähr vorstellen, was bei unserer Rückkehr in meiner Küche los war. Beinahe hätten wir uns vor lauter Seelenverwandtschaft gegenseitig mit Honig eingeschmiert, so aufgewühlt waren wir, aber eben nur beinahe, denn ich bewahre den Honig immer im Kühlschrank auf, und kalt läßt er sich ja nicht so gut verteilen, aber wem erzähle ich das?

So geht das jetzt schon ein paar Monate, und ein Ende ist nicht abzusehen, jeden Tag stellen wir neue Übereinstimmungen fest, Zum Beispiel benutzt sie das gleiche Feinwaschmittel und dreht alle Kleidungsstücke auf Links, bevor sie sie in die Maschine gibt. Ich denke, ich sollte diese Frau heiraten, oder? Was meinen Sie?



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